„Stillstand und Routine sind der Tod“

Autor: Michael Wiegand

Wie ist der aktuelle Trainingsstand Deiner Jungs?
Ich würde sagen, eingedenk aller Stolpersteine, die die Pandemie mit sich bringt, stehen wir gut da. Wir arbeiten montags mit den Jungs an der Athletik und die meisten Spieler arbeiten, je nach Alter zuhause oder im Fitnessstudio, selbst noch zusätzlich an den physischen Voraussetzungen. Dabei werden wir von meinem Freund Christopher Petry von CP Performance unterstützt, der das Training über die App Teambuildr organisiert. Man merkt schnell, welche Spieler an sich arbeiten, da sich die Verbesserungen der Physis immer schnell auf dem Platz bemerkbar macht. Samstags haben wir Teamtraining auf dem Platz und arbeiten am footballerischen Teil des Sports. In der Offense sehe ich uns da aktuell auf einem guten Weg, allerdings haben wir noch einiges an Arbeit vor uns, bevor es in die Saison gehen kann.
Beschreibe bitte eine Woche als OC…
Letztendlich beginnt meine Woche nach dem letzten Mannschaftstraining samstagmittags. Direkt im Anschluss an das Teamtraining wird das Trainingsvideo bearbeitet und auf die Plattform hudl.com hochgeladen. Damit die Spieler dann eine direkte Rückmeldung über ihre Leistung bekommen, kommentiere ich die Videos auf der Plattform und teile es mit der Offense. Da mein Playbook vor dem ersten Training der Saison fertig war, gilt es in der Vorbereitung nach und nach alle Spielzüge zu installieren. Dabei gehen wir so vor, dass wir erst weitere Spielzüge mit ins Training nehmen, wenn die vorherigen funktionieren. Meiner Philosophie nach gehe ich lieber mit fünf Plays, die alle Spieler beherrschen in die Saison, als mit 20, bei denen dies nicht der Fall ist. Bis Mittwoch entscheide ich nach intensiver Videosichtung und in Absprache mit meinen Positioncoaches, woran in der Woche besonders intensiv gearbeitet werden muss und ob weitere Plays installiert werden können. Die Installs von neuen Spielzügen werden dann in Onlinemeetings mit den Spielern durchgeführt. Donnerstags schickt unser Head Coach Manuel Tepper dann den Ablaufplan für das Teamtraining am Samstag an uns Coaches. Die detaillierten Abläufe der positions- beziehungsweise gruppenspezifischen Drills meiner Offense plane ich daraufhin ein und sende den Plan an meine Coaches, hole mir Rückmeldungen und bereite die Scripts, also die Spielzüge für die Teamphasen vor.
Wie muss man sich diese Zusammenarbeit mit Head Coach und den eigenen Coaches vorstellen?
Coach Tepper ist der Kopf der Mannschaft und hat ein Auge auf alle Prozesse des Teams, sowie die Organisation. Wir arbeiten jetzt schon ein paar Jahre zusammen und vertrauen uns, doch obwohl er mir eigentlich in der Offense freie Hand lässt, meine eigene Philosophie zu etablieren, hat er alles im Blick und steht mir mit Rat und Tat sowie Kritik zur Seite. Wir telefonieren mehrmals in der Woche, um alles zu organisieren und den gemeinsamen Weg im Auge zu behalten. In meiner Offense bin ich als Offensive Coordinator nicht nur dafür zuständig, welche Spielzüge wir spielen wollen, sondern auch dafür, dass diese Ziele auch erreicht werden können. Dafür muss ich sehr eng mit meinen Positionscoaches zusammenarbeiten, denn ihre Arbeit ist gerade im Jugendbereich unfassbar wichtig! Dabei koordiniere ich die Arbeit meiner Coaches so, dass wir die Trainingszeit auf dem Platz optimal ausnutzen und uns jede Woche verbessern. Dabei stehen wir jederzeit in engem Kontakt und haben stets das gemeinsame Ziel vor Augen.
Was ist dieses gemeinsame Ziel?
Natürlich wollen wir als Team alle Spiele und somit auch die Meisterschaft gewinnen, aber viel mehr als das möchte ich, dass jeder im Team, inklusive mir, am Ende der Saison sagen kann: „Ich habe für das Team alles getan, was ich konnte, um mich zu verbessern und erfolgreich zu sein.“ Wenn wir das erreicht haben, werde ich stolz sein.
Wie entwickelst Du Dich selbst weiter?
Stillstand und Routine sind der Tod! Ich versuche mich selbst bestmöglich zu organisieren und gleichzeitig alle Details im Auge zu behalten und mich ständig zu hinterfragen. Meine Arbeitsabläufe werden dabei immer effektiver, denn man darf nicht vergessen: Ein großer Teil der Arbeit eines Offensive Coordinators spielt sich am Schreibtisch ab und man darf die Arbeit nicht scheuen! Es kommen schon einige Stunden Homeoffice zusammen in einer Woche… Um mich stetig weiterzubilden, helfen mir Videomaterial, Fortbildungen und Literatur aus der ganzen Footballwelt. Das Buch „Guts and Genius“ über unter anderem Trainerlegende Bill Walsh steht neben einem Buch über Scouting immer auf meinem Schreibtisch und aktuell habe ich gerade an der Online Coaches Clinic der American Football School 247 teilgenommen und von vielen großartigen Coaches, wie zum Beispiel Josh Niblett, bestbezahlter High School Coach des Staates Alabama, gelernt.
Suchst Du auf bestimmten Positionen noch Spieler?
Wir sind auf allen Positionen ganz gut, aber nicht sonderlich tief besetzt, können also eigentlich auf allen Positionen noch Spieler gebrauchen. Durch die Pandemie ist der Zulauf bei vielen Sportarten weniger geworden und auch wenn Football aktuell bundesweit immer beliebter wird, fehlt es trotzdem an Nachwuchs. Konkret brauchen wir in unserer Mannschaft aber noch schwerere Jungs, die uns auf der Offensive Line, der wichtigsten Position des Sports, aushelfen können! Ein Einstieg ist auch jetzt noch jederzeit möglich, Interessenten könne sich einfach bei Coach Tepper (coachtepper@wiesbaden-phantoms.de) melden!
In Hinblick auf die soziale Komponente von Football: Was versuchst Du Spielern und Coaches zu vermitteln?
Football ist aus verschiedenen Gründen ein Sport, durch den man eine ganze Menge für sein Leben lernen kann. In einem Footballteam kann man alleine nicht erfolgreich sein, man braucht dafür jeden einzelnen und muss sich aufeinander verlassen können. Dabei muss man für seine eigenen Handlungen und deren Konsequenzen Verantwortung übernehmen. Auch wenn viele meiner früheren Mitspieler zu meinen besten Freunden zählen, muss man auch lernen, für ein gemeinsames Ziel mit ganz unterschiedlichen Menschen zusammenzuarbeiten, auch solchen, mit denen man sich privat vielleicht nicht so gut versteht. All das gilt für mich als Trainer genauso wie für unsere Spieler, denn ich erwarte von meinen Spielern nichts, was ich nicht selbst zu tun bereit bin oder vorlebe. Das beginnt mit guter Vorbereitung, Pünktlichkeit und Respekt und da erwarte ich von meinen Coaches Vorbilder zu sein.